Wir wollen verstehen, wie die Mikrostruktur von Konstruktionswerstoffen durch äußere Parameter beeinflusst wird und welche Folgen diese Eingriffe auf das Materialverhalten der Werkstoffe haben. Konstruktionswerkstoffe sind Hochleistungslegierungen die beispielsweise in Flugzeugturbinen bei höchsten Temperaturen und Drücken eingesetzt werden. Das Ziel unserer Forschung ist es, zukünftig verbesserte oder neue Werkstoffe entwickeln zu können, die unter noch extremeren Bedingungen eingesetzt werden und dadurch Emissionen wie CO2 einzusparen. Manchmal bedarf es dazu auch der Entwicklung neuer Methoden, um die Werkstoffe auf kleinsten Längenskalen überhaupt untersuchen zu können.
In den folgenden Abschnitten werden vier Beispiele aktueller Forschungsprojekte vorgestellt:
Forschung an Nickelbasislegierungen
Einfluss der Mikrostruktur auf die Entwicklung von Eigenspannungen
Ziel dieses Forschungsprojekts ist die Untersuchung der Entwicklung von Eigenspannungen in unterschiedlichen Nickel-Basislegierungen und deren Korrelation mit der Mikrostruktur der Legierungen durch ein mikromechanisches Modell, welches das lokale mechanische Verhalten auf Kornniveau beschreibt. Eigenspannungen sind mechanische Spannungen im Inneren von Bauteilen, die ohne äußere Kräfte vorherrschen. Je nach dem welche Eigenspannungen vorliegen, können diese sowohl schädlich als auch vorteilhaft für die Lebensdauer der Bauteile sein. Das Design und die Optimierung von Bauteilen, die während dem Betrieb nicht versagen dürfen, bedarf daher der genauen Kenntnis des mikromechanischen Materialverhaltens, bzw. der Entwicklung von Eigenspannungen, vor und während dem Betrieb.
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Nanotechnologie (KIT) und dem Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Werkstoffmechanik (TU München) verwenden wir zur Untersuchung Neutronen, um Gitterdehnungen tief im Inneren von Bauteilen während mechanischer Belastung zu ermitteln. Dafür wurden Messungen am Forschungsreaktor FRM II am Heinz-Maier Leibnitz Zentrum (MLZ) in Garching durchgeführt. Die Ergebnisse der Neutronen-Diffraktionsmessungen werden mit begleitenden hochauflösenden mikroskopischen Untersuchungen der Mikrostruktur korreliert und dienen als Eingangsparameter zur Beschreibung des Materialverhaltens durch ein kristallplastisches Finite-Elemente Model (CPFEM). Somit besteht die Möglichkeit zur Vorhersage des mikromechanischen Materialverhaltens wodurch zukünftige Bauteile entsprechend ihrer Belastung besser ausgelegt werden können.
Neues Verfahren zur Charakterisierung kleinster Ausscheidungen in der Legierung Inconel 718
In der Legierung Inconel 718 gibt es mit der γ‘- und der γ‘‘- Phase zwei unterschiedliche Ausscheidungsphasen, die für die mechanischen Eigenschaften der Legierung entscheidend sind. Die Unterscheidung und Quantifizierung der Ausscheidungen ist allerdings experimentell sehr herausfordernd und gelang bisher nur bei der Untersuchung nanoskopischer Probenvolumina. Wir haben ein neues Verfahren entwickelt, um mittels Kleinwinkelneutronenstreuung (SANS) eine Quantifizierung der unterschiedlichen Ausscheidungen auch in makroskopischen Probenvolumina zu ermöglichen. Zur Interpretation der SANS-Daten werden die Techniken TEM und APT komplementär eingesetzt. Die Elektronenmikroskopie wird verwendet, um Größenverteilungen der Ausscheidungen zu ermitteln während die Atomsondentomographie Informationen über die lokale chemische Zusammensetzung liefert, um die Streukontraste quantitativ evaluieren zu können. Mit diesen Daten kann ein Strukturmodel erstellt werden, dass durch Anpassung an die Neutronenmessdaten statistisch wertvolle Informationen über die Größen und Volumenanteile der Ausscheidungen liefert.
Forschung an ferritischen Superlegierungen
Eisenbasierte ferritische Superlegierungen sind vielversprechende Legierungen für hohe Einsatztemperaturen (z.B. Bauteile in Flugzeug- und Gasturbinen). Ferritische Legierungen zeichnen sich durch kleinere thermische Ausdehnungskoeffizienten und höhere Wärmeleitfähigkeit aus. Sie sind gleichzeitig weit kostengünstiger als Ni-Basis-Legierungen oder austenitische Stähle, welche traditionell in diesem Bereich eingesetzt werden. Das Ziel der Legierungsentwicklung ferritischer Stähle ist deren Einsatz in sogenannten „ultra supercritical“ (USC) Kraftwerken.
Design neuer Werkstoffe
Vorarbeiten haben gezeigt, dass sich in der Modellegierung FBB-8 mit der Zusammensetzung Fe-6.5Al-10Cr-10Ni-3.4Mo-0.25Zr-0.005B (in Gew.-%), nach Zulegieren von 2-3,5 Gew.-% Ti sogenannte hierarchische Ausscheidungen - Ni2TiAl (L21)-Phasen die von lamellaren B2 (NiAl)- Phasen durchzogen sind - bilden. Diese tragen zu außergewöhnlich guten Kriecheigenschaften der Legierung bei; allerdings zu Kosten der Raumtemperaturduktilität und der Langzeitstabilität der Legierung. In aktuellen Forschungsarbeiten untersuchen wir, ob sich die Materialeigenschaften durch (teilweises) Ersetzen des Ti- Anteils durch andere L21- Phasen bildende Elemente (V, Ta, Nb) weiter steigern lassen (siehe Abbildung).
Neue Modellegierungen werden bei uns in Vakuuminduktionsöfen selbst hergestellt. Nach anschließenden Wärmebehandlungen prüfen wir die Materialperformance in Hochtemperaturkriechversuchen und korrelieren die Ergebnisse mit der Mikrostruktur (REM, TEM und APT) der jeweiligen Legierungen.
Zukünftig wollen wir in Zusammenarbeit mit dem Institut für Materialprüfung, Werkstoffkunde und Festigkeitslehre (IMWF) die Legierung additiv Fertigen, da sich hierdurch zum einen die Probleme, die mit der Werkstoffsprödigkeit bei der Formgebung einhergehen, umgehen lassen und zum anderen neue Mikrostrukturen gezielt eingestellt werden können.
Neues "Cluster-Search" Verfahren zur Detektion kleinster Ausscheidungen
Da die Diffusion von Elementen wie Al und Ni in ferritischen Legierungen gegenüber Ni-Basislegierungen erhöhrt ist, bilden sich kleinste Ausscheidungen bereits beim Abkühlen nach der typischen Wärmebehandlung. Je höher die Temperatur der Wärmebehandlung desto mehr und größere Ausscheidungen bilden sich bei der Abkühlung, was die Härte der Legierung bei Raumtemperatur erheblich beeinflusst.
Unser Ziel ist es, chemische Informationen über diese kleinen Ausscheidungen zu ermitteln. Dafür verwenden wir die Atomsondentomographie. Zur Lokalisation der Ausscheidungen in den rekonstruierten Datensätzen mit oft mehreren 100 Millionen Atomen verwenden wir den in der APT- Technik am häufigsten genutzten Clustersuchalgorithmus „Maximum Separation Method“. Diesen Clusteralgorithmus haben wir erweitert, um nun auch die oft komplizierte Morphologie der Ausscheidungen zu erfassen und dadurch die Zusammensetzung der Ausscheidungen genauer zu charakterisieren. Lawitzki, R. et al. Mater. Charact. 171, 110722 (2021)
Die Atomsondentomographie ist eine, wenn nicht die beste, Methode, um ortsaufgelöste chemische Informationen (im sub-Nanometerbereich) kleinster Ausscheidungen zu ermitteln. Dagegen steht die Schwierigkeit mit der APT exakte geometrische Information über diese Phasen zu gewinnen, da oftmals Messartefakte zu nicht nachvollziehbaren Verzerrungen in der Rekonstruktion führen. Durch einen neuen Ansatz konnten wir dieses Problem am Beispiel kleinster Ausscheidungen in der Legierung FBB-8 umgehen. Dafür wurden numerische Simulationen der Atomsondentomographie durchgeführt und aus den Ergebnissen ein Model entwickelt, das die Korrektur der in der Rekonstruktion verzerrt dargestellten Ausscheidungsgrößen ermöglicht.
Guido Schmitz
Prof. Dr. Dr. h.c.Abteilungsleiter
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